Bipolare Störung

Behandlungsmöglichkeiten und psychotherapeutische Ansätze

Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, die durch den Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen gekennzeichnet ist. Sie zählt zu den affektiven Störungen, die sich durch Veränderungen von Antrieb und Stimmung auszeichnen. Die Erkrankung erfordert eine langfristige Behandlung, die sowohl medikamentöse Maßnahmen als auch Psychotherapie umfasst.

Affektive Störungen lassen sich unter anderem in unipolare und bipolare Formen einteilen. Bei einer unipolaren Störung verändert sich die Stimmung nur in eine Richtung, wie es bei der unipolaren Depression („klassische“ Depression) der Fall ist.

Im Gegensatz dazu schwankt die Stimmung bei bipolaren Störungen in beide Richtungen, sodass sowohl depressive als auch manische Phasen auftreten. Die depressiven Phasen zeichnen sich vor allem durch Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit aus, während es in manischen Phasen zu Euphorie und gesteigertem Antrieb kommt.

Im Laufe ihres Lebens erkranken etwa 3% der Menschen in Deutschland an einer bipolaren Störung. Die Erkrankung beginnt meist im frühen Erwachsenenalter, typischerweise um das 18. Lebensjahr.

Was ist eine bipolare Störung?

Menschen mit einer bipolaren Störung durchlaufen Phasen starker Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit (depressive Episoden) sowie Phasen, in denen sie besonders euphorisch und antriebsgesteigert sind (manische Episoden). Daher spricht man auch von einer manisch-depressiven Erkrankung.

Zwischen diesen Phasen liegen in der Regel symptomfreie Intervalle, die ohne medikamentöse Behandlung und Psychotherapie meist nicht dauerhaft stabil bleiben. Eine individuell angepasste Therapie ist daher essenziell, um Rückfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Die Anzeichen einer depressiven Episode bei einer bipolaren Störung entsprechen den Symptomen einer unipolaren Depression. Dazu gehören unter anderem niedergeschlagene Stimmung, Antriebslosigkeit, Interessensverlust und Schlafstörungen.

Typische Symptome einer manischen Episode sind:

  • Dauerhaft gehobene Stimmung, oft unpassend zur Situation
  • Gesteigertes Selbstbewusstsein
  • Reizbarkeit und Aggressivität
  • Motorische Unruhe und übermäßige körperliche Aktivität (z. B. Sport)
  • Starker Redefluss und Gedankenrasen
  • Verlust sozialer Hemmungen
  • Impulsives und leichtsinniges Verhalten
  • Vermindertes Schlafbedürfnis
  • Psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen

Man unterscheidet zwei Unterformen bipolarer Störungen. Bei der Bipolar-I-Störung kommt es zum Wechsel zwischen manischen und depressiven Episoden. Bei der Bipolar-II-Störung wechseln sich depressive Phasen mit hypomanischen Phasen ab. Als Hypomanie bezeichnet man eine mildere Form der Manie.

Eine Krankheitsepisode dauert im Durchschnitt vier bis zwölf Monate. Treten innerhalb eines Jahres vier oder mehr Episoden auf, spricht man von rapid cycling.

Die Auswirkungen einer bipolaren Störung können für Betroffene und Angehörige erheblich sein. Während manischer Phasen handeln Betroffene oft impulsiv und treffen unüberlegte Entscheidungen, z. B. eine plötzliche Kündigung des Arbeitsplatzes oder plötzliche hohe Geldausgaben. Auch zwischenmenschliche Beziehungen werden durch die Episoden stark belastet.

Psychische Begleiterkrankungen treten bei bipolaren Störungen häufig auf. Etwa die Hälfte aller Betroffenen entwickelt eine Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen (Messer et al., 2017). Zudem ist das Suizidrisiko bei Menschen mit einer bipolaren Störung erhöht.

Umso wichtiger ist daher eine umfassende psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung, um akute Symptome zu lindern und langfristig eine Stabilisierung zu erreichen.

Wie entsteht eine bipolare Störung?

Die genauen Ursachen für die Entstehung einer bipolaren Störung sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass biologische, genetische und psychosoziale Faktoren zur Krankheitsentstehung beitragen.

Da die bipolare Störung eine komplexe psychische Erkrankung ist, sollte die Behandlung möglichst umfassend sein und sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Maßnahmen beinhalten.

Eine genetische Veranlagung könnte die Entwicklung einer bipolaren Störung begünstigen. So ist das Risiko, eine bipolare Störung zu entwickeln, um etwa 10 bis 20% erhöht, wenn ein Elternteil betroffen ist. Sind beide Elternteile betroffen, steigt das Risiko auf bis zu 50% (Merikangas et al., 1995).

Der genetische Einfluss auf die Entstehung psychischer Erkrankungen wird zunehmend erforscht. In einer groß angelegten Studie von 2021 wurde das Genom von mehr als 40.000 Menschen mit einer bipolaren Störung untersucht. Dabei wurden 64 Regionen im Erbgut identifiziert, die mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen.

Viele dieser Genregionen spielen eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen. Einige der identifizierten Gene finden sich auch bei Menschen mit Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen (Mullins et al., 2021), die je nach Krankheitsphase Ähnlichkeiten zur bipolaren Störung aufweisen.

Ein weiterer Erklärungsansatz ist das sogenannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Dieses wird in der Psychotherapie genutzt, um die Entstehung psychischer Erkrankungen zu erklären. Demnach begünstigt eine Kombination aus erhöhter Anfälligkeit (Vulnerabilität) und belastenden Lebensereignissen (Stress) den Krankheitsausbruch. Diese Erkenntnis ist insbesondere für die psychotherapeutische Behandlung relevant.

Auch eine veränderte Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn könnte eine Rolle spielen. Vermutet wird, dass die Mutation eines Gens die Aktivität des Enzyms ADCY2 (Adenylyl-Cyclase-2) vermindert. Dieses Enzym ist für die Produktion des Botenstoffs cAMP verantwortlich, der ein wichtiges Signalmolekül im Körper darstellt.

In Tierversuchen zeigten Mäuse mit dieser Genmutation ein verändertes, manieähnliches Verhalten. Zudem wurden in ihren Gehirnen deutlich mehr erregende als hemmende Signale nachgewiesen, was die manieähnlichen Symptome erklären könnte (Paromita et al., 2024).

Diagnose der bipolaren Störung

Die Diagnose einer bipolaren Störung erfolgt bei leichteren Formen oft erst nach mehreren Jahren. Zwar nimmt das soziale Umfeld häufig Veränderungen im Verhalten wahr, jedoch empfinden Betroffene sich selbst oft nicht als krank. Eine ausgeprägte manische Episode führt in der Regel zu einer sehr zeitnahen Diagnose. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig, um die Prognose zu verbessern und eine angemessene medikamentöse sowie psychotherapeutische Therapie frühzeitig einzuleiten.

Wichtiger Bestandteil der Diagnosestellung ist die ausführliche Erhebung der Krankengeschichte, insbesondere die Erfragung möglicher Symptome in der Vergangenheit. Sowohl in manischen als auch in depressiven Phasen sollte zudem das Risiko einer Eigen- oder Fremdgefährdung durch den Patienten beurteilt werden.

Psychische und körperliche Begleiterkrankungen treten bei einer bipolaren Störung häufig auf. Liegen psychiatrische Begleiterkrankungen vor, kann eine Anpassung der psychotherapeutischen und medikamentösen Therapie erforderlich sein:

  • 40% der Betroffenen leiden zusätzlich an einer Angststörung (Yapici et al., 2018),
  • 30 bis 50% der Betroffenen entwickeln eine Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen,
  • 10 bis 20% leiden an einer Binge-Eating-Störung (Fornaro et al., 2021),
  • 17% leiden an ADHS (Schiweck et al., 2021).

Häufige körperliche Begleiterkrankungen bei einer bipolaren Störung sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie Diabetes Typ 2 (Crump et al., 2013).

Medikamentöse Therapie der bipolaren Störung

Das Ziel der Therapie bipolarer Störungen ist, die Symptome zu reduzieren und Rückfälle möglichst zu vermeiden. Abhängig von der jeweiligen Krankheitsphase können unterschiedliche Therapieansätze sinnvoll sein.

Therapie in manischen Phasen

Für manische Patienten ist eine möglichst reizarme Umgebung wichtig. Gruppentherapien sind in dieser Phase daher oft ungeeignet oder sogar kontraproduktiv. Da Betroffene sich während einer Manie oftmals nicht als krank wahrnehmen, wird eine psychotherapeutische Behandlung oft abgelehnt.

In akuten manischen Phasen wird daher primär eine medikamentöse Therapie angestrebt. Häufig verordnete Medikamente sind Lithium sowie sogenannte atypische Antipsychotika. Diese wirken psychotischen Zuständen entgegen und werden daher auch bei Schizophrenie und anderen wahnhaften Störungen eingesetzt. Zu den Antipsychotika gehören zum Beispiel die Medikamente Aripiprazol, Asenapin, Olanzapin, Quetiapin und Risperidon (S3-Leitlinie Bipolare Störungen).

Therapie in depressiven Phasen

Die Behandlung depressiver Episoden bei einer bipolaren Störung ist komplex, da die Gabe von Antidepressiva dazu führen kann, dass die Depression in eine manische Phase umschlägt (sogenanntes Switch-Risiko).

Klassische Antidepressiva, die oft bei unipolaren Depressionen eingesetzt werden, besitzen ein hohes Switch-Risiko. Das Mittel der ersten Wahl in depressiven Phasen ist daher meist Quetiapin. Quetiapin ist kein Antidepressivum, sondern ein atypisches Antipsychotikum, das ein geringeres Switch-Risiko besitzt.

Eine psychotherapeutische Behandlung wird in depressiven Phasen oft deutlich besser angenommen als in manischen Episoden und kann eine effektive Ergänzung der medikamentösen Therapie darstellen.

Phasenprophylaxe

Die Phasenprophylaxe ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie bipolarer Störungen. Sie hat das Ziel, symptomfreie Intervalle zu stabilisieren und das Auftreten neuer manischer oder depressiver Episoden zu verhindern.

Das Medikament der ersten Wahl für die Phasenprophylaxe ist Lithium (S3-Leitlinie Bipolare Störungen). Lithium wirkt stimmungsstabilisierend, kann Manien vorbeugen und senkt zudem das Suizidrisiko (Bénard et al., 2016).

Ergänzend zur medikamentösen Behandlung kann eine Psychotherapie während symptomfreier Intervalle helfen, Rückfälle zu verhindern oder zu verzögern und den Patienten zu stabilisieren.

Psychotherapie zur Behandlung bipolarer Störungen

Eine psychotherapeutische Behandlung kann die medikamentöse Therapie einer bipolaren Störung sinnvoll ergänzen, sollte jedoch nicht als alleinige Maßnahme eingesetzt werden.

Bei der Entstehung einer bipolaren Störung spielen neben biologischen auch psychosoziale Faktoren eine Rolle. Belastende Lebensereignisse, die zur Krankheitsentstehung beigetragen haben, können in der Psychotherapie aufgearbeitet werden.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die Kosten einer Psychotherapie, wenn sie in einem der vier Richtlinienverfahren erfolgt:

Menschen mit bipolarer Störung zeigen häufig emotionale Instabilität. Stress kann sie stärker belasten als psychisch gesunde Personen. Eine Psychotherapie hilft, Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die den Alltag erleichtern.

Eine Verhaltenstherapie eignet sich besonders dazu, konkrete Verhaltensveränderungen zu erarbeiten. Studien zeigen, dass eine kognitive Verhaltenstherapie während depressiver Phasen die Genesung fördert (Miklowitz et al., 2007).

In einer systemischen Therapie können nahe Bezugspersonen in die Psychotherapie einbezogen werden, denn eine bipolare Störung betrifft nicht nur den Patienten, sondern auch sein soziales Umfeld. Eine systemische Therapie stärkt das soziale Netzwerk, was sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann.

Eine Herausforderung der Psychotherapie bei einer bipolaren Störung besteht darin, dass Patienten in (hypo)manischen Phasen oft keine Krankheitseinsicht zeigen und psychotherapeutische Hilfe ablehnen. Daher ist es wichtig, frühzeitig eine stabile Beziehung zwischen Patient und Psychotherapeut aufzubauen.

In depressiven Phasen suchen Betroffene häufiger psychotherapeutische Unterstützung. Je nach Situation stehen unterschiedliche Therapieziele im Fokus: Während symptomfreier Intervalle soll das Auftreten neuer Episoden verhindert werden, in akuten Phasen geht es vorrangig um die Linderung der Symptome.

Konkrete Ziele der Psychotherapie können unter anderem sein:

  • Aufklärung über die eigene Erkrankung (Psychoedukation)
  • Erkennen von Frühwarnsymptomen
  • Identifikation von Auslösern neuer Krankheitsepisoden
  • Entwicklung eines strukturierten Tagesablaufs
  • Erarbeitung eines Notfallplans für akute Krankheitsphasen
  • Nutzung und Stärkung eigener Fähigkeiten
EMDR als Therapieansatz für bipolare Störungen?

EMDR (eye movement desensitization and reprocessing) ist ein Psychotherapieverfahren, das ursprünglich zur Behandlung von Traumafolgestörungen wie der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickelt wurde.

Bei der Behandlung befasst sich der Patient mit traumatischen Erinnerungen, während er mit den Augen ein sich bewegendes Objekt verfolgt. Durch die ständigen Augenbewegungen von rechts nach links werden beide Gehirnhälften aktiviert, was die Verarbeitung belastender Erinnerungen fördert.

Mittlerweile wird das Verfahren nicht nur zur Behandlung von PTBS eingesetzt, sondern auch auf andere psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen ausgeweitet. Zur Wirkung von EMDR bei bipolarer Störung gibt es bisher jedoch nur wenige Untersuchungen, sodass noch keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit getroffen werden können.

Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSRT)

Die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSRT) ist eine spezielle Psychotherapieform zur Behandlung der bipolaren Störung. Sie zielt darauf ab, den Patienten durch die Einhaltung von Routinen zu stabilisieren. Die Methode wird üblicherweise ergänzend zur medikamentösen Therapie eingesetzt.

Die IPSRT kombiniert Elemente der interpersonellen Psychotherapie mit Ansätzen der sozialen Rhythmustherapie. Die interpersonelle Psychotherapie ist ein Verfahren, das insbesondere bei Depressionen angewandt wird. Der Fokus dieser Psychotherapieform liegt auf der Bearbeitung zwischenmenschlicher Konflikte.

Die soziale Rhythmustherapie basiert hingegen auf der Beobachtung, dass es bei affektiven Störungen wie Depressionen oder bipolaren Störungen oft zu einem unregelmäßigen Tagesablauf und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus kommt. Durch die Einhaltung von Routinen im Alltag sollen die Symptome der Erkrankung gelindert werden.

Ziele und Ablauf der IPSRT:

  • Stabilisierung biologischer Rhythmen durch eine geregelte Tagesstruktur (z. B. regelmäßige Mahlzeiten, Einhaltung des Schlaf-Wach-Rhythmus)
  • Reduzierung interpersoneller Probleme durch regelmäßige soziale Kontakte und Aufarbeitung zwischenmenschlicher Konflikte
  • Rückfallprophylaxe durch Vermittlung von Frühwarnzeichen und Entwicklung eines Notfallplans

In den ersten Sitzungen der interpersonellen und sozialen Rhythmustherapie analysieren Psychotherapeut und Patient, welche Faktoren zu Veränderungen und Unterbrechungen im Alltag führen. Dazu kann der Patient ein Protokoll führen und z. B. Schlaf, Essgewohnheiten, Arbeitszeiten und soziale Interaktionen dokumentieren.

Anschließend wird ein geregelter Tagesablauf mit festen Routinen entwickelt, beispielsweise jeden Tag zu festen Uhrzeiten aufzustehen und ins Bett zu gehen. Auch andere Problembereiche, zum Beispiel Trauer oder zwischenmenschliche Konflikte im Leben des Patienten, werden in der Psychotherapie bearbeitet.

Die erlernten Strategien sollen im Alltag angewendet und gefestigt werden. Später finden die Sitzungen mit niedrigerer Frequenz statt. Dabei werden Fortschritte und Rückschläge besprochen.

Die Wirksamkeit der IPSRT wurde in einigen Studien nachgewiesen (Miklowitz et al., 2007). Allerdings zählt das Verfahren aktuell nicht zu den psychotherapeutischen Richtlinienverfahren, weshalb die Kosten in der Regel nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.

Mehr Informationen zur Kostenübernahme einer Psychotherapie finden Sie hier.

Elektrokonvulsionstherapie zur Behandlung bipolarer Störungen

Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist eine wirksame Behandlungsmethode für bipolare Störungen. Dabei werden durch Elektroden auf der Kopfhaut elektrische Impulse abgegeben, die gezielt Krampfanfälle auslösen.

Das Bild der Elektrokonvulsionstherapie ist unter anderem durch mediale Darstellungen negativ geprägt. Diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Realität, denn eine EKT wird stets unter Vollnarkose durchgeführt, sodass der Patient weder bei Bewusstsein ist noch Schmerzen empfindet.

Die Wirksamkeit der Elektrokonvulsionstherapie wurde in Studien nachgewiesen und kann sogar effektiver als eine medikamentöse Therapie sein (Schoeyen et al., 2015). Das gezielte Auslösen der Krampfanfälle hat unter anderem einen positiven Einfluss auf die Verteilung bestimmter Neurotransmitter im Gehirn und fördert das Nervenwachstum.

Die Elektrokonvulsionstherapie wird vor allem bei schweren manischen oder depressiven Phasen eingesetzt, die auf andere Therapiemethoden nicht angesprochen haben. Nach der Akutbehandlung erfolgt weiterhin eine medikamentöse und psychotherapeutische Rezidivprophylaxe. Auch bei schweren Depressionen sowie bei Schizophrenie wird das Verfahren angewendet.

Es gibt nur wenige Ausschlusskriterien für eine Elektrokonvulsionstherapie. Dazu gehören zum Beispiel schwere Herz- oder Lungenerkrankungen, die eine Narkose riskant machen. Vor der Behandlung muss der Patient umfassend über das Verfahren aufgeklärt werden und ausdrücklich zustimmen.

Die häufigste Nebenwirkung der Elektrokonvulsionstherapie sind vorübergehende Gedächtnisstörungen, die sich in der Regel schnell zurückbilden. Schwerwiegende Nebenwirkungen treten selten auf. Insgesamt gilt das Verfahren als sehr sicher und das Behandlungsrisiko ist nicht höher als das allgemeine Narkoserisiko (Torring et al., 2017).

Prognose der bipolaren Störung

Die Lebenserwartung von Menschen mit bipolarer Störung ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um etwa 10 bis 20 Jahre verkürzt. Dafür gibt es mehrere Ursachen:

  • Begleiterkrankungen: Menschen mit bipolarer Störung leiden oft unter psychischen oder körperlichen Begleiterkrankungen, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  • Substanzmissbrauch: Abhängigkeitserkrankungen treten bei Betroffenen überdurchschnittlich häufig auf.

Die Prognose einer bipolaren Störung verbessert sich, je früher die Diagnose gestellt wird. Leider vergehen durchschnittlich sechs Jahre zwischen dem ersten Auftreten der Erkrankung und der Diagnosestellung bzw. dem Therapiebeginn (Dagani et al., 2017).

Dies liegt unter anderem daran, dass eine bipolare Störung häufig mit einer depressiven Episode beginnt und daher zunächst als unipolare Depression verkannt wird. Zudem sind die milderen hypomanischen Phasen bei einer Bipolar-II-Störung schwer zu erkennen.

Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der bipolaren Störung sind unter anderem:

  • Rapid cycling: Mehr als vier Krankheitsepisoden pro Jahr
  • Frühes Erkrankungsalter: Eine frühe Manifestation der Erkrankung ist häufig mit einer schlechteren Prognose verbunden.
  • Psychotische Symptome: Das Auftreten von Wahnvorstellungen oder Halluzinationen verschlechtert die Prognose.
  • Begleiterkrankungen: Sowohl psychische als auch körperliche Begleiterkrankungen können den Verlauf negativ beeinflussen.
Quellen

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26.02.2025

Autor

  • Dr. med. Robert Sarrazin

    Dr. med. Robert Sarrazin arbeitet als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Praxis. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählen u.a. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, chronische Überlastung und Burnout sowie psychosomatische Beschwerden. Dr. Sarrazin unterstützt seine Patienten mit verhaltenstherapeutischer Psychotherapie sowie bei Bedarf zusätzlich mit Medikamenten. Er greift dabei auf eine langjährige praktische Berufserfahrung in verschiedenen Kliniken und im ambulanten Bereich zurück.

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