Wie funktioniert eine systemische Therapie?
Zu Beginn der Therapie wird gemeinsam mit dem Therapeuten ein konkretes Behandlungsziel festgelegt (Auftragsklärung). Anschließend werden die bestehenden Probleme analysiert und alle Beteiligten überlegen gemeinsam, wie diese gelöst werden können. Der Psychotherapeut bietet dabei keine fertigen Lösungen an, sondern hilft den Klienten, eigene Lösungsansätze zu entwickeln.
In der systemischen Therapie werden verschiedene Methoden eingesetzt, um Missstände sichtbar zu machen. Dabei haben sich bestimmte Fragetechniken als besonders wirksam erwiesen, um mehr Informationen über die Problematik zu gewinnen und gleichzeitig neue Betrachtungsweisen zu fördern.
Fragetechniken
Zirkuläre Fragen: Bei zirkulären Fragen wird ein Mitglied des Systems zu den Gefühlen, Gedanken oder Meinungen einer anderen Person befragt. Dies stärkt die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und ermöglicht es gleichzeitig, verschiedene Perspektiven auf dasselbe Problem zu beleuchten.
- Beispiel: „Was denkt Ihr Partner, wenn Sie sich so verhalten?“
Skalierungsfragen: Mithilfe von Skalierungsfragen lässt sich verdeutlichen, wie unterschiedlich die Meinungen verschiedener Menschen zu einer Problematik sein können. Zudem können Fortschritte innerhalb der Therapie sichtbar gemacht werden.
- Beispiel: „Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie stark belastet Sie das Problem?“ / „Was müsste passieren, damit Ihr Stresslevel von 7 auf 4 sinkt?“
Ausnahmefragen: Ausnahmefragen können hilfreich sein, um die Ursache eines Problems zu verdeutlichen.
- Beispiel: „In welchen Situationen tritt das Problem nicht auf?“
Wunderfragen und hypothetische Fragen: Dabei sollen sich die Beteiligten vorstellen, was passieren würde, wenn das Problem plötzlich verschwindet. Diese Fragetechnik kann ebenfalls helfen, die Ursache des Problems zu verdeutlichen.
- Beispiel: „Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder würde das Problem über Nacht verschwinden. Woran würden Sie das zuerst merken?“ / „Was wäre, wenn Ihr Partner sein Verhalten von heute auf morgen verändert?“
Verschlimmerungsfragen: Die Probleme werden durch eine solche Frage aus einer ungewohnten Perspektive betrachtet. Das kann eine gewisse Distanz zum Problem schaffen, die neue Handlungsoptionen erkennbar macht.
- Beispiel: „Wie müssten Sie sich verhalten, um die Situation zu verschlimmern?“
Reframing und positive Konnotation
Reframing lässt sich sinngemäß mit „Umdeutung“ übersetzen. Dabei soll während der Psychotherapie erlernt werden, Situationen oder Probleme aus einer anderen Sichtweise zu betrachten und sie positiver wahrzunehmen.
Beispiel: Person A hat Angst, enttäuscht zu werden, und verhält sich deshalb abweisend gegenüber anderen. Dieser Rückzug ist für Person A ein Schutz, wird aber in ihrem sozialen Umfeld als negativ wahrgenommen. Wenn sich andere jedoch in Person A hineinversetzen, erkennen sie, dass dieses Verhalten für Person A einen Sinn hat. So entsteht ein neuer Blickwinkel, der eine positivere Sichtweise anregen kann.
Paradoxe Intervention
Die paradoxe Intervention ist eine Methode, bei der der Psychotherapeut den Patienten anweist, sich absichtlich problematisch zu verhalten („Symptomverschreibung“). Diese widersprüchliche Anweisung soll helfen, automatische Verhaltensweisen zu durchbrechen. Die paradoxe Intervention kann individuell auf die jeweilige Problematik abgestimmt werden.
Beispiel: Ein Kind verhält sich zu Hause, wie es möchte, und folgt den Anweisungen der Eltern nicht. Der Psychotherapeut gibt ihm nun die Aufgabe, dieses Verhalten für einen bestimmten Zeitraum zu verstärken. Das absichtliche Herbeiführen von unerwünschtem Verhalten führt in den meisten Fällen zur Abschwächung dessen. Gleichzeitig erlebt das Kind, dass sein Verhalten kontrollierbar ist.
Arbeit mit Metaphern und Darstellungen
Metaphern oder graphische Darstellungen können helfen, die Dynamiken innerhalb eines Systems besser zu verstehen und die Ursachen von Problemen zu verdeutlichen. Sie schaffen zudem eine gewisse Distanz zur Konfliktsituation, wodurch das Problem auf einer anderen Ebene betrachtet werden kann.
In einem Soziogramm oder Genogramm können soziale Beziehungen und Probleme (z. B. innerhalb einer Familie) visualisiert werden. Symbole und Verbindungslinien können dabei helfen, komplexe Problematiken übersichtlich darzustellen. Der Psychotherapeut leitet die Klienten dabei an, versucht jedoch, möglichst neutral zu bleiben und den Prozess zu beobachten.
Auch psychodramatische Techniken können in der systemischen Therapie angewandt werden. Beispielsweise kann eine typische Konfliktsituation nachgespielt werden, wobei die Beteiligten ihre Rollen tauschen, und so unterschiedliche Perspektiven einnehmen.
Das Erstellen von Skulpturen oder Figurenkonstellationen kann, insbesondere bei der Arbeit mit Familien, Teil einer systemischen Therapie sein. Dabei stellen die Beteiligten Figuren oder Gegenstände so im Raum auf, wie sie ihre eigene Position im System wahrnehmen. Personen, die sich sehr nahestehen, können beispielsweise auch in der Aufstellung nebeneinanderstehen. Andere Figuren können hingegen weiter entfernt voneinander platziert werden.
Externalisierung
Externalisierung ist eine Methode, die in der systemischen Therapie, aber auch in anderen Psychotherapieverfahren genutzt wird. Dabei wird das Problem nicht als Teil einer Person gesehen, sondern nach außen verlagert („Du bist nicht das Problem, sondern du hast ein Problem“). So kann die Problematik differenziert betrachtet werden und es wird Raum für Veränderung geschaffen.
Die Trennung von Mensch und Problem kann dabei sowohl sprachlich als auch visuell erreicht werden. Eine sprachliche Trennung kann bereits durch kleine Änderungen in der Formulierung erfolgen: „In welchen Phasen sind Sie besonders depressiv?“ wird zu „Wann ist die Depression besonders stark ausgeprägt?“
Insbesondere bei der Arbeit mit Kindern kann es helfen, das Problem zu visualisieren. Eine Depression oder Angststörung kann beispielsweise als dunkle Wolke beschrieben werden, die ein Familienmitglied in bestimmten Phasen begleitet.